Ist das nicht seltsam? Nach belastbaren Statistiken erleidet pro Jahr mehr als ein Drittel der Bevöl- kerung seelische Veränderungen, die behandlungsbedürftig sind. Die Zahlen steigen weiter an und machen einen zunehmend hohen Anteil im Bereich der Arbeitsunfähigkeit aus.
Dessen offenbar gänzlich ungeachtet werden seelische Erkrankungen nach wie vor oft banalisiert, mit Argwohn betrachtet oder auch leise belächelt. Betroffene hören dann bisweilen: „ Da muss man durch“ oder auch „ Nun stell dich mal nicht so an, solche Tage gibt es nun einmal im Leben“ oder auch „ Das wird schon wieder, die Zeit heilt alle Wunden“. Wer über längere Zeit Hilfe in Anspruch nimmt, wird schnell stigmatisiert, weil er „ nicht ganz normal“ ist oder eigentlich „ in die Klapse gehört“. Diesbezüglich ist die Umwelt häufig weder feinfühlig noch wählerisch in der Wortwahl.
Dabei leidet jeder Dritte an eben solchen Störfeldern.
In den letzten Jahren stehen Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen und somatoforme Störungen (körperliche Symptome mit seelischem Hintergrund) in der Häufigkeitsskala ganz oben.
Es hat also den Anschein, als seien see- lische Störungen, oder psychische Erkrankungen völlig natürlich im alltäg- lichen (Er-)Leben. Und sie ziehen sich quer durch alle Altersgruppen und sozi- alen Schichten.
Dabei zeigt sich nach entsprechenden Untersuchungen in den letzten Jahren, dass diese Erkrankungen nicht zufällig kommen oder wie ein Virus übertragen werden, sondern dass nahezu immer –
Psychosen seien einmal aus Gründen der Vereinfachung davon ausgenommen – ein Grund für die Veränderungen vor- liegt. Allerdings sind die Hintergründe, die eigentlichen Ursachen, von den Betroffenen über längere Zeit unbeach- tet geblieben oder ihnen teilweise nicht bewusst geworden.
Zum Beispiel findet man bei depressiven Menschen nahezu ausnahmslos, dass sie sich über sehr lange Zeit um etwas bemüht haben oder etwas mit aller Kraft erreichen wollten, am Ende aber ent- täuscht wurden, weil das Ergebnis nach jahrelanger Mühsal ein anderes als das erhoffte gewesen ist.
Und gerade deshalb ist es dann in der Folge für Betroffene immer schwieriger, das Leben leicht oder bekömmlich zu gestalten; es treten Veränderungen auf wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Hoff- nungslosigkeit und der Verlust von Per- spektiven. Nicht willentlich, sondern in der Konsequenz, reagiert die Seele mit diesen Zeichen.
Natürliche Psychotherapie versteht psychische Veränderungen in genau die- sem Sinn als natürliche Reaktionen zum Beispiel auf Enttäuschungen und im Rahmen der eigenen Lebensführung.
Die betroffenen Menschen, und ihre Zahl nimmt ja ständig zu, werden demnach nicht für „krank“ erklärt, weil sie in ihrem Verhalten von irgendeiner Norm der unterschiedlichen Therapieformen abwei-
chen, sondern weil sie sich selbst nicht mehr wohlfühlen in ihrer Haut und des- halb Handlungsbedarf entsteht und Ver- änderungen angestrebt werden, um wie- der ein bekömmliches Leben zu führen.
Solche Hintergründe und Erklärungen für seelische Veränderungen finden sich ebenso bei Angststörungen, Zwangs- handlungen und -gedanken oder ande- ren Störungen.
Die natürliche Psychotherapie wird den Menschen bereits bei der Diagnosestel- lung nicht nach Tabellen oder vorgege- benen Normen einordnen, sondern nur am eigenen, natürlichen Empfinden, und dem Wissen um die Hintergründe und Zusammenhänge, die zu den Verände- rungen geführt haben.
Und natürlich bestimmt dann der Pati- ent, wo er den Änderungsbedarf sieht. Nach umfangreichen Untersuchungen in den USA scheitern die meisten Psycho- therapien daran, dass der betroffene Mensch und der Therapeut nicht an einem Strange ziehen – ein Drittel der Patienten fühlt sich danach schlechter im Gefolge der Therapie –, sondern dass der Therapeut einfach festlegt, was nach seiner Ansicht verändert, also the- rapiert werden soll.
Natürliche Psychotherapie orientiert sich immer am Veränderungswunsch des Patienten, nicht an Normverhalten oder den eigenen Therapeutenvorstellungen darüber.
In diesem Sinne handelt es sich bei der natürlichen Psychotherapie immer um ein Stück gemeinsamer Arbeit an dem gewünschten Änderungsbedarf. Und immer geschieht das auf Augenhöhe. Der Therapeut hilft dabei, neue Perspektiven zu entwickeln, die in eine gewünschte Richtung führen. Er verordnet dann aber nicht das neue Verhalten. Der Patient ist der Experte für sein eigenes Empfinden und für sein Wohlergehen und wählt des- halb aus den gemeinsam erarbeiteten Perspektiven und Veränderungen. Der Therapeut ist in diesem Gespann vorran- gig dafür da, im Patienten eigene Lösungsmöglichkeiten und Kompetenzen zu wecken und zu bestätigen, damit er seine Probleme lösen kann.
Die Therapieformen, also die gemein- same Suche nach Lösungen, nach Wegen, die aus den Problemen heraus-
führen – denn genau das ist Psychothe- rapie im eigentlichen Sinne – nutzen dabei wieder natürliche Wahrnehmungen und Möglichkeiten, die dem Patienten bereits zur Verfügung stehen: seinen Verstand und sein Gefühl.
Es werden also nicht geheimnisvolle „Techniken“ eingesetzt oder in den tiefs- ten Tiefen der Seele verborge Kräfte beschworen oder ans Tageslicht geholt, auch sieht man sich nicht irgendwelchen Trieben ausgeliefert oder einem Über- Ich, sondern es werden verstehbar, nachvollziehbar und klar gemeinsam die Spannungsfelder und Hintergründe erar- beitet und dargestellt. Da gibt es keine Geheimnisse, oder etwas, was der Pati- ent nicht wissen darf.
Immer weiß also der Patient sehr genau und verlässlich, worauf er sich einlässt
und beurteilt dann selbst, ob ihm das gut tut, ob es nützlich oder hilfreich ist.
Nicht die angepasste Norm entscheidet, sondern der eigene Verstand und das eigene Gefühl. Nicht der Therapeut sagt: „ Das ist jetzt normal“, sondern der Pati- ent sagt: „Genauso passt es für mich.“ Dann erst ist das Ziel der gemeinsamen Arbeit erreicht.
Besonders geeignet für diese Art der gemeinsamen Arbeit sind systemische Therapien und hypnotherapeutische Konzepte.
Bei der systemischen Therapie finden Patient und Therapeut sehr genau und detailliert gemeinsam heraus, warum man sich in seinem Umfeld auf eine bestimmte Weise verhält, wie sich das auswirkt – für einen selbst und für die
Menschen im Umfeld –, und welche Kon- sequenzen es hat, wenn man Verände- rungen vornimmt.
Hypnotherapeutische Konzepte machen die Gefühlswelt wieder zugänglich und nutzen dabei die Möglichkeiten der „inne- ren Wahrnehmung“. Das sind Gedanken, Bilder, Gefühle oder Eindrücke, die auf dieser Ebene wahrgenommen werden können. Kinder nutzen diese Wahrneh- mung meistens mehr als die Hälfte des Tages, sie sind also völlig natürlich. Auch Erwachsene kennen das als Tagträume oder Gedankenreisen, weil sie jedem zugänglich sind.
Bei der Suche nach Lösungen in der Psy- chotherapie sind diese „Techniken“ sehr wirkungsvoll und angenehm zu nutzen.
Dabei gilt stets als oberstes Gebot: Der Patient wählt aus und entscheidet und weiß immer, was „mit ihm passiert“ und bestimmt. Der Therapeut ist für die
„Angebote“ zuständig, aber der Patient hat die Wahl.
Und weil das so ist und nicht künstlich etwas als „normal“ verordnet wird, hat die natürliche Psychotherapie auch langfristig und nachhaltig Erfolge. Denn es sind ja die eigenen Lösungen, die jeder Patient mit Hilfe nur des Therapeuten für sich findet. Sie sind also immer stimmig und passgenau.
Während der gesamten Zeit gemeinsamer Arbeit wird dem Patienten ein wichtiges Orientierungswerkzeug für die Zukunft an die Hand gegeben, resp. ihm vermittelt: Die Fähigkeit, seine Gefühle wahrzunehmen, sich an ihnen zu orientieren und angemes- sen auf sie zu reagieren. Es ist inzwischen zweifelsfrei anerkannt, dass die Wahrneh- mung der eigenen Gefühle das wichtigste Instrument für seelische Gesundheit ist.
Nur müssen diese Botschaften nicht nur wahrgenommen werden, sondern man muss auf sie reagieren. Besitzt man
diese Fähigkeit, nennt man das emotio- nale Kompetenz.
Die absolut natürliche und stets zugäng- liche Möglichkeit der Orientierung steht immer zur Verfügung.
Damit erwirbt im Rahmen der natür- lichen Psychotherapie jeder die Möglich- keit, sein Leben künftig seelisch bekömmlich zu gestalten und die Pro- bleme des Alltags, die sich ja nun einmal immer finden, angemessen zu lösen und sich wieder wohl zu fühlen.
Es gibt also ein Vielzahl von Gründen, eine solche Hilfe, solche Angebote bei Problemen, Spannungsfeldern und psy- chischen Veränderungen einfach und klar in Anspruch zu nehmen.
Das ist absolut natürlich, denn jeder hat einmal Probleme, bei deren Lösung neue Perspektiven hilfreich und eben bekömmlich sind.